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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 30.01.2008
Aktenzeichen: 1 Ss 4/08
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 335 Abs. 3
StPO § 335 Abs. 3 Satz 1
StPO § 348 Abs. 1
StPO § 348 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

1 Ss 4/08 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In der Strafsache

wegen Diebstahls im besonders schweren Fall u.a.

hat der 1. Strafsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch

die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Thaeren-Daig, die Richterin am Oberlandesgericht Michalski und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Weckbecker

am 30. Januar 2008

beschlossen:

Tenor:

Der Senat ist zur Entscheidung über die als Berufung zu behandelnde Revision des .................gegen das Urteil des Amtsgerichts Königs-Wusterhausen vom 25. Januar 2007 nicht zuständig.

Die Sache wird zur Durchführung der Berufungshauptverhandlung an die 2. große Strafkammer des Landgerichts Potsdam - Jugendkammer - zurückverwiesen.

Der Beschluss der 2. großen Strafkammer des Landgerichts Potsdam - Jugendkammer - vom 22. Oktober 2007 wird aufgehoben.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht Königs Wusterhausen - Jugendschöffengericht - hat mit Urteil vom 25. Januar 2007 den .................wegen versuchten gemeinschaftlichen Diebstahls im besonders schweren Fall in 6 Fällen und wegen gemeinschaftlichen Diebstahls im besonders schweren Fall sowie wegen Bedrohung, unter Freisprechung im Übrigen, zu einer unbedingten Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten verurteilt. Der Mitangeklagte ..............wurde im selben Verfahren wegen ähnlicher Delikte zu einer Einheitsjugendstrafe von 2 Jahren und 10 Monaten und der Mitangeklagte ..............zu einer Einheitsjugendstrafe von 10 Monaten verurteilt. Während das Urteil gegen den Mitangeklagten ...............in Rechtskraft erwachsen ist, haben der Angeklagte und der Mitangeklagte ............die Entscheidung angefochten.

Der Angeklagte ......... legte mit Verteidigerschriftsatz vom 1. Februar 2007, eingegangen bei Gericht am 2. Februar 2007, ein unbestimmtes Rechtsmittel ein und beantragte Wiedereinsetzung in die Frist zur Einlegung des Rechtsmittels wegen eines technischen Defekts am Faxgerät. Mit Beschluss vom 2. Juli 2007 hat die 2. Strafkammer des Landgerichts Potsdam - Jugendkammer - Wiedereinsetzung in die Frist zur Einlegung der Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Königs Wusterhausen vom 25. Januar 2007 gewährt.

Innerhalb der Revisionsbegründungsfrist, die Urteilszustellung erfolgte 13. Februar 2007, legte sich der Angeklagte ............... mit Anwaltschriftsatz vom 13. März 2007 - eingegangen bei Gericht im selben Tag - auf das Rechtsmittel der (Sprung-) Revision fest.

Der seinerzeit Mitangeklagte ............ legte am 31. Januar 2007 Berufung ein, die er mit Verteidigerschriftsatz vom 7. August 2007 auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte.

Mit Verfügungen vom 13. August 2007 und 7. September 2007 bestimmte die Kammervorsitzende Termin zur Hauptverhandlung und verfügte u.a. die Ladung der Angeklagten ...........und ............. Im Hauptverhandlungstermin am 22. Oktober 2007 trennte das Berufungsgericht das Verfahren gegen den Angeklagten ....... ab und verwarf mit Urteil vom selben Tag die Berufung des Mitangeklagten .......... als unbegründet. Das Urteil ist zwischenzeitlich in Rechtskraft erwachsen.

Die 2. große Strafkammer - Jugendkammer - hat mit Beschluss ebenfalls vom 22. Oktober 2007 dargelegt, dass nach der Abtrennung des Verfahrens gegen den Mitangeklagten ......... kein Fall des § 335 Abs. 3 StPO mehr gegeben sei und das Verfahren gegen den Angeklagten ....... zur Entscheidung über dessen Revision dem Brandenburgischen Oberlandesgericht vorgelegt.

II.

Für eine Entscheidung über die (Sprung-) Revision des Angeklagten ist kein Raum, da sie gem. § 335 Abs. 3 StPO weiterhin als Berufung zu behandeln ist.

Nach § 335 Abs. 3 Satz 1 StPO hat bei verschiedenartiger Anfechtung eines Urteils durch mehrere Verfahrensbeteiligte die Berufung den Vorrang, solange sie, die Berufung, nicht zurückgenommen oder als unzulässig verworfen ist.

Durch die Vorschrift des § 335 Abs. 3 StPO soll einerseits verhindert werden, dass das Strafverfahren gleichzeitig in mehreren Instanzen anhängig wird, und andererseits soll sichergestellt werden, dass keine widersprüchlichen Entscheidungen ergehen (vgl. RGSt 63, S. 194, 196; BGHSt 4, S. 207, 208). Sie greift damit einen Grundgedanken auf, der auch § 357 StPO zugrunde liegt. Im Interesse einer gleichartigen Behandlung ordnet das Gesetz mit dieser Vorschrift des § 357 StPO trotz der Rechtskraft des Urteils bezüglich des Nichtrevidenten an, dass er so zu behandeln ist, als ob er gleichfalls Revision eingelegt hätte, sofern das ihn betreffende Urteil von demselben oder einem gleichartigen Rechtsfehler betroffen ist. Eine vergleichbare Regelung zu § 335 Abs. 3 StPO enthält auch § 83 Abs. 2 OWiG, wenn ein Strafverfahren teils Ordnungswidrigkeiten, teils Straftaten zum Gegenstand hat (vgl. dazu KK-Kuckein, StPO, 5. Aufl. 2003, § 335 Rdnr. 17). Die Anwendung des § 335 Abs. 3 StPO setzt nicht voraus, dass sich die Rechtsmittel auf die Verurteilung wegen derselben Tat beziehen. Es kommt nur darauf an, dass dasselbe Urteil von mehreren Beteiligten mit verschiedenen Rechtsmitteln angefochten worden sind. Das gilt grundsätzlich auch bei beschränkter Anfechtung (KK-Kuckein, aaO., Rdnr. 12). Ein Fall von § 335 Abs. 3 StPO liegt nur dann nicht vor, wenn die Abtrennung schon vor dem Urteil beim Amtsgericht erfolgt ist; denn dann hat jeder abgetrennte Teil sein eigenes Schicksal und seine eigenen Rechtmittel. Die Gründe, die für eine einheitliche Behandlung aller Rechtsmittel sprechen, liegen aber auch dann weiter vor, wenn die Verfahren - wie im vorliegenden Fall - erst nach der erstinstanzlichen Verurteilung getrennt worden sind. Dem Zweck des § 335 Abs. 3 StPO - keine Entscheidungen durch verschieden Rechtsmittelgerichte, Wahrung der Einheitlichkeit des Rechtszugs und des Verfahrens - würde es zuwiderlaufen, wenn dem Beschwerdegericht die Möglichkeit eröffnet wäre, durch eine grundsätzlich in seinem Ermessen stehende Verfahrenstrennung, die an der Einheitlichkeit der angefochtenen Verurteilung nichts zu ändern vermag, zu erreichen, dass ein Urteil gleichzeitig der Nachprüfung verschiedener Rechtsmittelgerichte unterliegt. § 335 Abs. 3 StPO verlangt vielmehr seinem Sinn nach eine Auslegung dahin, dass das als Berufung geltende Rechtsmittel als Revision nur dann wieder auflebt, wenn die Berufung des anderen Verfahrensbeteiligten ihre Erledigung ohne eine Sachentscheidung findet. Eine bloße Verfahrenstrennung kann diese Folge dagegen nicht herbeiführen (allgem. Ansicht, vgl. OLG Karlsruhe Die Justiz 1977, S. 24; OLG Zweibrücken MDR 1986, S. 778, 779; BayObLG 1952, S. 209; LR-Hanack, StPO, 25. Aufl. 1998 ff., § 335 Rdnr. 21; Meyer-Goßner, StPO, 50. Aufl. 2007, § 335 Rdnr. 15; KMR-Mutzbacher, StPO, Loseblatt 1990 ff., § 335 Rdnr. 38; KK-Kuckein, StPO, 5. Aufl. 2003, § 335 Rdnr. 10). Zudem wäre mit einer Verfahrenstrennung praktisch die beliebige Möglichkeit geschaffen, § 335 Abs. 3 StPO außer Kraft zusetzen, und zwar unter Zuhilfenahme formaler Kriterien, obwohl die Gründe, die für die Anwendung streiten, unberührt fortbestehen (OLG Zweibrücken a.a.O.).

Die Abtrennung des Verfahrens gegen den Mitangeklagten kann aus den vorgenannten Gründen die Vorschrift des § 335 Abs. 3 StPO nicht aushebeln.

Da die Revision des Angeklagten auch nach der Verfahrenstrennung durch die Berufungskammer des Landgerichts Potsdam als Berufung behandelt werden muss, ist eine Zuständigkeit des Brandenburgischen Oberlandesgerichts zur Entscheidung über das Rechtsmittel nicht begründet. Der Senat hat sich in entsprechender Anwendung von § 348 Abs. 1, 2 StPO für unzuständig erklärt und die Sache zur Entscheidung über die Berufung an die 2. große Strafkammer - Jugendkammer - des Landgerichts Potsdam zurückgegeben. Die Aufhebung des Beschlusses der 2. großen Strafkammer - Jugendkammer - des Landgerichts Potsdam vom 22. Oktober 2007 hat deklaratorischen Charakter und stellt klar, dass die Revision gem. § 335 Abs. 3 StPO als Berufung zu behandeln ist.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

Ende der Entscheidung

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